Spätestens seit der Learntec wissen wir alle: Virtual und Augmented Reality sind aus der e-Learning Welt nicht mehr wegzudenken. Und auch der mmb-Trendmonitor verkündet: Virtuelle Welten sind auf dem Vormarsch in der digitalen Weiterbildung. Kein Wunder, versprechen uns die innovativen Technologien wie die Oculus Quest oder die HTC Vive Pro doch, in ganz neue und faszinierende Lernwelten eintauchen zu können. Spielt sich die Zukunft des e-Learnings bald nur noch in der virtuellen Realität ab?
Längst ist Virtual Reality in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Von der Virtual Reality Brille zum selber bauen à la Google Cardboard bis hin zu ganzen Virtual Reality Simulatoren auf Messeständen haben wir hier schon einiges gesehen. Auch Augmented Reality ist den meisten spätestens seit der “Pokémon Go”-Welle ein Begriff. Doch was unterscheidet diese beiden Begriffe eigentlich und wie gut eignen sich solche Mixed Reality Technologien tatsächlich für den Einsatz im e-Learning? Wir zeigen Ihnen die Vorteile für Ihre Trainingsangebote, geben aber auch Hinweise zu möglichen Nachteilen und Grenzen.
Augmented Reality
Übersetzt man den Begriff Augmented Reality, wird seine Bedeutung schnell klar: Bei der erweiterten Realität bekommt der Nutzer durch eine technische Schnittstelle zusätzliche Informationen zu dem angezeigt, was er gerade in echt vor sich sieht. Steuern lässt sich das Ganze über Gesten, die von der eingebauten Kamera erkannt werden, oder, wie unten dargestellt, direkt über das Display eines mobilen Endgeräts. Die Kamera erkennt die Umgebung in Echtzeit und zeigt die zusätzlichen Informationen direkt auf dem Display an.
Virtual Reality
Mit einer Virtual Reality Brille kann der Nutzer vollkommen in eine digital erzeugte Welt eintauchen. Diese kann nicht nur sitzend auf dem Sofa, sondern auch in Bewegung erkundet werden. Controller ermöglichen die Interaktion mit virtuellen Objekten und unterstützen intuitives Bewegen und Handeln im virtuellen Raum. Je realer sich die Erfahrung für den Nutzer anfühlt, desto höher ist der Grad der Immersion und desto eher vergisst er, dass es sich “nur” um einen virtuellen Raum handelt. Dabei spielt die Wahl und Gestaltung der Umgebung natürlich eine besonders wichtige Rolle. Je mehr Sinne dabei realitätsgetreu angesprochen werden, desto schneller und tiefer taucht der Anwender in diese virtuelle Welt ein.
Alles super spannend! Sind virtuelle Welten dann jetzt die richtige Lösung für Ihr Unternehmen? Und wenn ja, wie setzen Sie sie richtig ein?
Was sind Vorteile und Möglichkeiten für das Lernen?
Mit Mixed Reality wird Lernen zum Erlebnis. Und an Erlebtes erinnern wir uns bekanntlich besser. Dabei bieten die Technologien zahlreiche innovative Möglichkeiten, eindrucksvolle Lernerlebnisse zu gestalten.
In der virtuellen Realität profitieren die Nutzer vor allem davon, in eine völlig andere Welt eintauchen zu können. In ein anderes Land reisen oder sogar auf den Mond und dort etwas über die örtlichen Begebenheiten lernen? In eine Maschine oder den menschlichen Körper hinein sehen und seine Funktionsweise entdecken? Sogar abstrakte Themen wie die Welt der Finanzen können mit VR erlebbar gemacht werden.
Gerade game-basierte Ansätze halten die Motivation des Lerners hoch, wenn der Einstieg in ein Thema sonst schwer zu finden ist. Die Technik kann auch die Möglichkeit bereitstellen, Präsenztrainings durchzuführen, ohne dass alle Personen sich am selben Ort befinden. Lernszenarien können mit Virtual Reality also situativ und ortsunabhängig gestaltet werden und auch einen sicheren Raum für Fehler bieten. So darf bei der Behandlung eines Patienten im VR-Training auch mal etwas schief gehen – im echten Leben natürlich nicht. Auch die Emotionen und Sinne des Nutzers werden besonders intensiv angesprochen, weshalb VR zum Beispiel erfolgreich bei der Behandlung von Menschen mit Phobien eingesetzt wird.
Durch Augmented Reality kann eine noch stärkere Verbindung zwischen Objekten und Informationen erzeugt werden. Im Sinne von “Learning on the job” können Lernen und Arbeiten enger miteinander verzahnt werden. Statt den Arbeitsplatz zu verlassen und das Gelernte selbstständig zu übertragen, kann der Nutzer in Echtzeit die für ihn relevanten Informationen abrufen und so zum Beispiel die Funktionsweise einzelner Teile eines Gerätes, welches er vor sich sieht, direkt am Gerät angeleitet, erkunden und kennenlernen.
Beide Techniken bieten also die Chance für eine hohe Interaktivität im Lernprozess. Durch die Vielzahl der Umsetzungsmöglichkeiten können auch verschiedene Lerntypen angesprochen werden. Problemorientierte und praxisnahe Lernanwendungen erleichtern den Transfer des Gelernten in den Arbeitsalltag. Durch vielfache Nutzung solcher Lernanwendungen und virtuelle Schulungen lassen sich die Trainingskosten pro Teilnehmer skalieren. Mit der entsprechenden Hardware kann der Lerner zeitlich und örtlich flexibel lernen (“learning on demand”). Diese Vorteile kennen wir auch von anderen, schon länger bekannten Formen des digitalen Lernens in verschiedenen Lernszenarien.
Welche Nachteile und Grenzen gibt es?
Den Möglichkeiten, Mixed Reality in Ihrem Bildungskonzept einzusetzen, sind scheinbar fast keine Grenzen gesetzt. Doch bringt die Einführung solcher Techniken auch einige Herausforderungen mit sich, die überwunden werden müssen.
So ist z.B. der Aufbau der technischen Infrastruktur mit Hardwarekosten verbunden, die je nach gewählter Technik und Anzahl der benötigten Endgeräte nicht vernachlässigt werden dürfen. Deshalb ist es schon bei der Entwicklung des Konzepts wichtig zu überlegen, wie viele und welche Geräte Sie für die Umsetzung brauchen und wie die Navigation in Ihrer Anwendung erfolgen soll. In AR ist es vielleicht schon mit ein paar Tablets getan, in VR ist aber mindestens eine VR Brille erforderlich und meist noch die entsprechenden Controller und Sensoren – ganz zu schweigen von möglichweise benötigten VR Räumen (sog. “Caves”). Auch die technische Umsetzung des Lernszenarios kann kostenintensiver sein als für klassische e-Learnings. Je komplexer die Szenarien desto höher ist auch der Konzeptions-, Gestaltungs- und Berechnungsaufwand. Hier müssen Agentur, Produzent und Kunde ihre jeweiligen Aufwände und Verfügbarkeiten vorab realistisch einschätzen. Ein agiles Mindset in der Projektphase hilft Ihnen, auch mit unvorhergesehenen Schwierigkeiten umzugehen, häufige Abstimmungsrunden und gemeinsame Meetings durchzustehen und Ihr MR Projekt trotzdem erfolgreich durchzuführen.
Auch bei der Technik ist eine offene Haltung gefragt. Technisch gesehen gibt es an diesen Technologien durchaus noch Entwicklungsbedarf, wie z.B. bei der Umsetzung mancher Interaktionen mit haptischem Feedback. Auch das Tracking aller Bewegungsachsen und feinen Bewegungen funktioniert heute oft nur unter “perfekten” Rahmenbedingungen. Für die Nutzer wird der Einstieg in die Mixed Reality Techniken dadurch teilweise erschwert – hier ist Fehlertoleranz und Erwartungsmanagement gefragt. Gleichzeitig sind die Lerner vor allem in VR einem hohen Reiz- und Informationsfluss ausgesetzt und reagieren auf unnormale Dimensionen und Geschwindigkeiten im virtuellen Raum sensibler. Bei manchen Nutzern können die ungewohnten Sinnestäuschungen zu sogenannter “motion sickness” führen, vergleichbar mit Seekrankheit. Der Einsatz von Mixed Reality erfordert also auch beim Nutzer eine Eingewöhnungsphase und Training. Dies sollte auch bei der Konzeption der Lernanwendungen und Inhalte berücksichtigt werden.
Jetzt wissen Sie Bescheid. Und wie binden Sie Mixed Reality nun zielführend in Ihre Trainingsangebote ein?
Der Einsatz von MR: Gewusst wie!
Bevor Sie mit ihrem MR Projekt loslegen, nehmen Sie sich Zeit für die Evaluierung Ihrer Lernsituation. Stellen Sie sich Fragen wie:
- Welche Art von Wissen will ich vermitteln? Faktenwissen? Affektive Inhalte? Handlungswissen?
- Möchte ich reale und fiktive Welten verbinden? Oder möchte ich eine komplett virtuelle Welt erschaffen?
- Gibt es Szenarien in der sich die virtuelle Welt mit einem Präsenztraining verbinden soll?
- Kann ich in diesem Kontext Mixed Reality nutzen?
- Was kann / kennt meine Zielgruppe schon? Gibt es möglicherweise Probleme mit „motion sickness“?
- Habe ich die passenden Rahmenbedingungen? Welche Techniken möchte ich einsetzen?
- Ist es überhaupt sinnvoll oder geht es auch einfacher? Gibt es auch andere Medien, mit denen ich den Inhalt ebenso gut vermitteln kann?
- Haben wir das passende agile Mindset, um das Projekt schon in der Konzeptions- und Produktionsphase erfolgreich durchzuführen? Ein paar Eindrücke hierzu: Bereitwilligkeit für viele Abnahmeschleifen, ungewohnte agile Arbeitsweisen, neue/ungewohnte Workflows, Out-of-the-Box-Denken, Interesse an neuen Technologien, die Bereitschaft Prototypen zu entwerfen und ggf. auch zu verwerfen usw.
Egal ob Sie sich für oder gegen den Einsatz von Mixed Reality entscheiden, grundlegend für den Erfolg Ihres e-Learnings ist vor allem ein gutes Konzept, welches das Problem abbildet und die Zielgruppe gezielt und spezifisch anspricht. Ist die Entscheidung für die Umsetzung eines e-Trainings mit Mixed Reality Technologien getroffen, seien Sie sich bewusst, dass die Entwicklung einer wirklich immersiven Lerneinheit viel Aufmerksamkeit und eine Portion Mut braucht und auch ressourcenintensiv sein wird. Auch ihre klassischen Prozesse werden nicht 1 zu 1 anwendbar sein.
Aber bitte lassen Sie sich davon nicht abschrecken, diese faszinierenden, neuen Technologien für sich zu entdecken – rüsten Sie sich und alle Beteiligten mit einem passenden, neugierigen und offenen Mindset aus und entdecken Sie ganz neue Trainingsszenarien für sich. Wir wünschen Ihnen dabei viel Freude und Erfolg.
Das war der letzte Teil unserer Serie über die Grenzen der E-Learning Helden:
Sie haben noch Fragen oder sind neugierig geworden? Wir beraten und unterstützen Sie gern auf dem Weg zu ihren neuen e-Learning Zielen.
Bildnachweis: Frau mit VR-Brille: https://www.pexels.com/photo/man-wearing-white-virtual-reality-goggles-834949/